Neues Verpackungsgesetz: Da geht noch was
Seit zu Beginn des Jahres 2019 das neue Verpackungsgesetz in Kraft getreten ist, sind rund anderthalb Jahre vergangen. Inwieweit wurden die Ziele der neuen Verordnung erreicht? Was ist schiefgelaufen? Und was hat die Corona-Krise mit dem Gesetz zu tun? Lesen Sie eine kleine Bilanz zu einem umfassenden Thema.
Nach drei Monaten: Mehr finanzielle Beteiligung, geringe Recyclingquote
Eine Bestandsaufnahme wenige Monate nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zeigte: Es ging in die richtige Richtung, zumindest in Sachen finanzieller Beteiligung der Unternehmen. Deutlich mehr Firmen als zuvor zahlten für die Kosten bei Entsorgung und Recycling von Verpackungen.
Das zeigte anderem das LUCID-Register, das die Unternehmen erfasst, die über Gebühren zu Entsorgung und Verwertung von Verpackungen beitragen. Dort finden sich zu diesem Zeitpunkt bereits 160.000 Einträge. Ein Plus von rund 100.000 Einträgen, da sich in der Zeit vor dem neuen Verpackungsgesetz lediglich 60.000 Unternehmen angemeldet hatten.
Bei den Recyclingquoten sah es weniger positiv aus. Hier ist das neue Verpackungsgesetz angetreten, EU-Recht auf nationaler Ebene umzusetzen – mit hohen ökologischen Standards beim Sammeln und Verwerten von Verpackungsabfällen. Leider zeigte sich recht bald nach Einführung des neuen Verpackungsgesetzes, dass die angestrebten Recyclingquoten nicht erreicht werden.
Zwischenfazit: Bereits bei der Herstellung von Verpackungsmüll müssten Materialien und Produktdesign für nachhaltigere Verpackungen sorgen. Dafür bräuchte es jedoch gesetzliche Vorgaben, die bislang fehlen.
Nach einem halben Jahr: Noch viele Verstöße
Mitte Mai 2019 war Stichtag für die sogenannten Vollständigkeitserklärungen. Damit erhielt die ZSVR einen ersten Überblick, inwieweit die Unternehmen den neuen Vorgaben folgten. Die Bilanz von Bettina Sunderdiek, Leiterin der Kommunikation der ZSVR, fällt ernüchternd aus.
In einem Interview mit der Deutschen Handwerks Zeitung (DHZ) berichtet Sunderdiek von rund 2.000 Ordnungswidrigkeiten, auf die die ZSVR bei ihrer Analyse der Jahres-Datenmeldungen im Juni 2019 gestoßen sei. Die damit verbundenen Fälle seien zusammen mit den Beweismaterialien an die Vollzugsbehörde übergeben worden.
Die betroffenen Unternehmen müssen mit harschen Konsequenzen rechnen. Sunderdiek erklärt: Wer sich im Sinne des Verpackungsgesetz nicht rechtskonform verhalte, für dessen Waren gelte zunächst ein automatisches Vertriebsverbot. Dies gelte vom Erstinverkehrbringer der Waren bis zur Letztvertreiberstufe.
Auch die potenziellen Bußgelder im Fall von Verstößen seien beträchtlich und richteten sich nach der Schwere der Ordnungswidrigkeit. Sie könnten bis 200.000 Euro betragen, je nach Fall seien laut Sunderdiek sogar Gewinnabschöpfungen denkbar.
Nach einem Jahr: Fallberichte decken Verstöße auf
Mitte März 2020 machte die ZSVR einen eklatanten Verstoß gegen das VerpackG öffentlich und kündigte gleichzeitig an, damit eine neue Stufe bei der Ahndung von Delikten einzuleiten. Im dazu veröffentlichten Fallbericht stand ein Gartencenter im Mittelpunkt, inklusive mehrerer Filialen sowie angeschlossenem Versandhandel. Das Unternehmen missachtete die Pflichten nach dem Verpackungsgesetz, indem es sich zwar im Melderegister LUCID registriert, aber nicht am dualen System beteiligt hatte.
Gunda Rachut, Vorstand der ZSVR, erklärt im Interview mit "Recyclingnews" zur Veröffentlichung des ersten Fallberichts: Es handle sich um ein neues Instrument, das den Herstellern zunächst helfen solle, eigenes rechtswidriges Verhalten schneller zu identifizieren und abzustellen. Unternehmen könnten sich an den Sachverhalten der Fallberichte orientieren.
Vorliegende Berichte machten die immer noch bestehenden Compliance-Defizite deutlich. Die ZSVR sei errichtet worden, um Transparenz und Fairness im Markt der Verpackungsentsorgung zu etablieren. Jeder, der verpackte Waren gewerbsmäßig in den Verkehr brächte, müsse seiner erweiterten Produktverantwortung nachkommen und für Entsorgung sowie Recycling seiner Verpackungen bezahlen. Dies sei neben der Abfallvermeidung und der Etablierung eines hochwertigen Recyclings das zentrale Ziel des Verpackungsgesetzes.
Derzeit seien 180.000 Unternehmen im Verpackungsregister LUCID registriert, so Rachut weiter. Weitere Fallberichte würden sich grundsätzlich über alle Wirtschaftszweige, Branchen und Unternehmensgrößen erstrecken. In einem bereits veröffentlichten zweiten Fallbericht ging es um grob pflichtwidriges Verhalten von Prüfern. Diese hätten bei der Prüfung der Vollständigkeitserklärung und dem Testat der Richtigkeit der jährlichen Verpackungsmengen eines Unternehmens gegen die Prüfleitlinie der ZSVR verstoßen.
Aussichten in Zeiten der Corona-Krise
Nach den vergangenen Monaten mitsamt der allgegenwärtigen Corona-Krise fällt eine aktuelle Bilanz zur Effektivität des neuen Verpackungsgesetzes nicht leicht.
Für Gunda Rachut keine Überraschung, schließlich gehöre in diesen Tagen das Verpackungsregister wohl eher zu den nachgeordneten Themen. Allerdings stünden die Mitarbeiter der ZSVR wie gewohnt zur Verfügung und beantworteten alle Anfragen der Unternehmen.
Verpackungen seien aufgrund ihrer Schnelllebigkeit ein Indikator für ökonomische Entwicklungen. Aufgrund der aktuellen Situation, der Wirtschaftskrise, dem Ringen um Existenzen und dem über sämtliche Branchen hinweg sinkenden Konsum werde das Verpackungsaufkommen im Jahr 2020 zurückgehen.
Rachuts Fazit: Es könne niemand absehen, welche Wirtschaftszweige sich in welcher Zeit erholten und wie tiefgreifend die Rezession tatsächlich ausfalle.
In diesem Sinne sind wohl auch die Auswirkungen des Verpackungsgesetzes zu betrachten. Erst wenn wirtschaftlich wieder so etwas wie Normalität eingekehrt ist, sind belastbare Rückmeldungen, Erfahrungswerte und Schlussfolgerungen zum VerpackG zu erwarten.