Vegan leben, vegan verpacken?


Vegane Verpackungen: Was geht?


In Deutschland leben knapp eine Million Menschen, die sich als Veganer bezeichnen. Dazu gehört für die meisten von ihnen, sich frei von tierischen Produkten zu ernähren und bei Kleidung und Kosmetik ebenfalls auf Verwertung von Tieren zu verzichten. Aber wie sieht es mit Verpackungen aus? Geht der Trend zum veganen Leben wirklich so weit? Und wenn ja: Was ist möglich?

Die Frage ist, ob vegane Verpackungen das Potential haben, ebenso zum Trend zu werden wie Produkte für die vegane Ernährung. © Miriam Doerr Martin Frommherz / Shutterstock

Was bedeuten „vegan” und „vegan packaging“?


"Vegan" bedeutet im Allgemeinen, auf die Verwertung tierischer Produkte zu verzichten. Den meisten Veganern geht es dabei in erster Linie um den Verzicht auf entsprechende Produkte in der Ernährung. Vegane Kochbücher und Restaurants erleben daher im Moment einen echten Boom.


Dies ist längst keine Eintagsfliege mehr oder ein flüchtiger Trend. Ein Blick auf den Umsatz mit vegetarischen und veganen Lebensmitteln zeigt: Laut Statista lag dieser 2019 bei rund 1,2 Milliarden Euro. Selbst Nicht-Veganer kaufen bewusst explizit vegane Produkte – einfach, weil das Bewusstsein für Fleischersatz & Co. in den vergangenen Jahren enorm gestiegen ist.


Vegan verpacken


Was bedeutet das für die Verpackungsindustrie? Achten Menschen, die sich vegan ernähren (und kleiden) darauf, dass prinzipiell keine tierischen Produkte genutzt werden, also auch Verpackungen vegan sind? Und wenn ja, lassen sich Produkte überhaupt wirklich vegan verpacken? Schließlich werden diese oft bedruckt und verleimt – und dass beides oft nicht ohne tierische Abfallstoffe oder Tierversuche auskommt, ist bekannt.

Dass das Thema „vegan packaging“ trotzdem relevant ist, hat vorrangig mit der Einstellung vieler Menschen zum Umgang mit Tieren und Nachhaltigkeit zu tun – wobei Letzteres durchaus ein Trugschluss ist.

Vegan ≠ nachhaltig ≠ bio


Vegan wird gern mit Attributen wie „nachhaltig“ und „ökologisch“ gleichgesetzt. Dabei ist der Verzicht auf tierische (Abfall-)Produkte im Verpackungssegment keinesfalls gleichzusetzen mit nachhaltigen und ökologischen Aspekten. Recyclingmaterialien, die etwa aus 100 Prozent Altpapier bestehen, sind maximal nachhaltig, da natürlich abbaubar. Aber sie sind nicht automatisch vegan. Denn es ist schwer sicherzustellen, dass die genutzten Papiere keine tierischen Abbauprodukte enthalten.


Vegane Verpackungen für vegane Produkte?


Sowohl vegetarische und vegane Lebensmittel als auch entsprechende Mode- und Kosmetikprodukte werden im Handel mit verschiedenen Labels gekennzeichnet: zum Beispiel dem V-Label des VEBU oder dem Vegan(+)-Label der Veganen Gesellschaft Deutschland. Zutaten und Verarbeitungshilfsstoffe sind demnach ausdrücklich vegetarischer beziehungsweise veganer Natur. Die Labels dienen Verbraucher*innen zur Orientierung beim Einkauf und erleichtern ihnen die Suche nach entsprechenden Produkten.


Für viele Veganer hört „vegan leben“ aber nicht beim Konsum auf, für sie ist der Verzicht auf tierische Produkte eine Lebenseinstellung. In puncto Verpackungen stoßen sie dabei allerdings oft an eine Grenze. Denn während das V-Label für Transparenz und Klarheit bezüglich der Inhaltsstoffe eines Produktes sorgt, gibt es für Verpackungen keine rechtlichen Vorschriften. Kurz gesagt: Vegane Lebensmittel können (etwa um Kosten zu sparen und weniger Kontrollen durchführen zu müssen) beispielsweise in nicht-veganen Kartons verpackt werden.

Vegane Verpackungen trotzdem möglich


Die Schwierigkeiten rund um das Thema „tierfreie Herstellung“ bedeuten aber mitnichten, dass es keine veganen Verpackungen gibt: Was gefragt ist, wird auch angeboten. Die Frage ist und bleibt eine andere.


Karton, Druckfarbe, Klebstoff: Wie vegan können Verpackungen sein?


Vegan verpacken: Das bedeutet, für das gesamte Herstellungsverfahren auf tierische Produkte und entsprechende Bestandteile zu verzichten – aber in ethischer Hinsicht auch, bei entsprechenden Anwendungstests von Tierversuchen abzusehen. Für die Herstellung von Kartons und Pappen sowie für das Aufbringen von Druckfarbe und Klebstoff bleibt daher zu klären: Ist dieser Verzicht überhaupt möglich?


Natürlich verpacken – mit veganen Kartons?


Ein Laie wird meinen: Karton ist eine natürliche Verpackung. Mag sein, dass dieser natürlicher ist als Kunststoffverpackungen. Das heißt aber nicht automatisch vegan. Denn die Oberfläche des Fasermaterials (Holz) wird meist geleimt – etwa, um die Nassfestigkeit zu erhöhen oder das Papier leicht einzufärben. Und der Leim besteht häufig aus Gelatine-Bestandteilen und ist damit ein tierisches Produkt.


Bei einer zusätzlichen Veredelung des Papiers können weitere chemische Stoffe zum Einsatz kommen, die mitunter tierischen Ursprungs sind oder an Tieren getestet wurden. Zwar ist es möglich, bei der Herstellung von Karton auf eine vegane Produktion zu achten, eine Garantie für Verbraucher gibt es jedoch nicht.


Verpackungen vegan bedrucken und verleimen


Auch was die Bedruckung und Verleimung von Verpackungen angeht, ist vegan so einiges möglich. Denn mittlerweile gibt es mineralölfreie und migrationsarme Druckfarben sowie Bindemittel, die frei von tierischen Abfallprodukten sind, etwa Kasein (Milchproteine) und Glutin (eine aus ausgekochten Tierknochen gewonnene Substanz).


Aber auch wenn synthetische Materialien oder Kunststoffe zum Verkleben verwendet werden: Kanzerogenitätstests (zum Nachweis von krebserregenden Wirkungen bestimmter Stoffe), die für viele Chemieprodukte notwendig sind, erfordern oftmals Tierversuche. Beim Thema vegane Klebstoffe bleibt diesbezüglich also immer ein Restrisiko für den Verbraucher.


Vegane Verpackungen als Teil einer Nachhaltigkeitsstrategie


Für Verbraucher bedeutet all dies: Es gibt (noch) keine Garantie, dass bei der Herstellung der Verpackung gänzlich auf tierische Produkte und Bestandteile verzichtet wurde. Hier gilt es dem Hersteller entweder zu vertrauen, oder – ganz nach der Devise „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ – beim Produzenten nachzufragen.


Wer auf Nachhaltigkeit achten will, sollte daher zunächst auf Umweltfreundlichkeit zu achten, etwa auf nachwachsende Rohstoffe, rückstandsarme Altpapier-Wiederaufbereitung und Nutzung von Ökostrom. Verschiedene Siegel wie FSC und andere dienen dem Verbraucher zur Orientierung, bieten aber auch eine Gewissheit, die das Versprechen „vegane Verpackung“ bislang (noch) nicht bieten kann.


Nachhaltigkeitskonzept trotz fehlender Zertifizierung


Einige Druckereien und Verpackungsunternehmen werben mittlerweile explizit mit veganen Verpackungen und/oder veganer Bedruckung. Die Konzentration auf entsprechende technische Möglichkeiten ist Teil eines Umweltmanagementsystems: Verpackungen sollen eben nicht nur klimaneutral und umweltfreundlich sein, sondern auch hundertprozentig frei von tierischen Produkten und Bestandteilen.