Biologisch abbaubarer Kunststoff


Projekt BioSinn: Sinnvolle End-of-life-Optionen?


Wann ist der Einsatz biologisch abbaubarer Materialien eine Option? Was die einen grundsätzlich bezweifeln, bietet für andere Vorteile, die sich positiv auf die Ökobilanz auswirken. Das vom Bund geförderte Projekt BioSinn hat untersucht, inwieweit der biologische Abbau für bestimmte Produkte und Anwendungen sinnvoll ist. Derweil wird das Thema weiter intensiv diskutiert – IGEPA fasst zusammen.

BioSinn: Gefördertes Projekt mit starken Projektpartnern


Welche Anwendungen und Produkte gibt es, für die der biologische Abbau eine sinnvolle oder sogar die beste End-of-Life-Option darstellt? Dieser Kernfrage widmete sich das Projekt „BioSinn – Steckbriefe sinnvoller biologisch abbaubarer Produkte“. Durchgeführt wurde das Projekt von Expertinnen und Experten des Nova-Instituts, gefördert durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft.


Weitere Projektpartner stellten das Institut für Kunststofftechnik der Universität Stuttgart sowie ein Beirat aus Vertretern der Industrie, Wissenschaft und Politik.


In mehreren Workshops wurden die relevanten Anwendungen und Produkte identifiziert, die für biologisch abbaubare Materialien besonders geeignet sind. Zu den Auswahlkriterien gehörten:

  • Es ist nicht möglich, das jeweilige Produkt (oder dessen Überbleibsel) einzusammeln, vom sonstigen organischen Abfall abzutrennen oder stofflich zu recyceln; beziehungsweise es ist ökonomisch nicht realisierbar oder findet in der Praxis nicht statt.
  • Durch die Verwendung der jeweils genutzten biologisch abbaubaren Materialien lässt sich der Eintrag von Mikroplastik in die Umwelt vermeiden.
  • Durch die Verwendung der jeweils biologisch abbaubaren Materialien werden indirekte positive Effekte, ein relevanter Sekundärnutzen, erzielt.


In den Workshops wurden 25 Produkte und Anwendungen ermittelt, die den genannten Kriterien entsprachen. Zusammengefasst in einer Broschüre kann diese sowohl Entscheidungsträgern aus Industrie und Politik als auch dem Anwender selbst Hilfestellungen bei der Produktauswahl bieten indem über die folgenden Punkte informiert wird:

  • Inwiefern ist der biologische Abbau für die jeweilige Anwendung eine sinnvolle und machbare Option?
  • Welche technischen Substitutionsmöglichkeiten existieren für einen nachhaltigeren Materialeinsatz?
  • Welche politischen Rahmenbedingungen und Regularien bestehen für das jeweilige Produkt?


Die Abdeckung der möglichen Anwendungen und Produkte sollte möglichst groß sein. Entsprechend vielfältig sind die Kategorien, zu denen die relevanten Produkte gehörten. Zu ihnen zählen:

  • (Klein-)Teile, die in den Kompoststrom gelangen, versteckte Kunststoffe (z. B. Kaffeekapseln oder Teebeutel)
  • Anwendungen mit/im Wasser (z. B. Fischköder oder Folie für Spülmaschinentabs)  
  • Verschleißmaterialien (z. B. Schuhsohlen)
  • Sonstiges (z. B. Baumschutzhüllen/„Wuchshüllen“) 


Auch eine Erhebung der Marktvolumina für Deutschland und die EU waren Teil des Projekts. Sie brachte unter anderem diese Ergebnisse:

  • Das Gesamtvolumen der 25 Anwendungen liegt in Deutschland bei rund 170.000 t pro Jahr (Stand 2020).
  • In der Europäischen Union beträgt dieses Gesamtvolumen jährlich rund 1 Mio. t.
  • Das Volumen bei möglichen Anwendungen in der Landwirtschaft durch Flockungshilfsmittel im Klärschlamm, Saatgutbeschichtung, Trägerpolymere für Pestizide und Mulchfolien ist besonders hoch.


Von den genannten Volumina landet aktuell der größte Anteil in der Umwelt. Dies bedeutet laut Projekt im Umkehrschluss: Der Einsatz biologisch abbaubarer Materialien in den genannten 25 Fällen würde erhebliche Umweltvorteile bringen.


Umweltbundesamt beantwortet Fragen zu biologisch abbaubaren Kunststoffen


Natürlich beschäftigt sich auch das Umweltbundesamt mit vielen Fragen, die sich rund um biobasierte und biologisch abbaubare Kunststoffe ergeben. Das Bundesamt hat eine Seite eingerichtet, um Antworten zu geben.


Hier zeigen sich unter anderem die Komplikationen und Widersprüche, die sich je nach Anwendungsfall und Detailgrad ergeben. So dürfen etwa Produkte und Verpackungen aus biologisch abbaubaren Kunststoffen nicht in der Bioabfallsammlung entsorgt werden und sind zudem nicht geeignet für die Kompostierung im Garten. Biologisch abbaubare Sammelbeutel hingegen können in der Bioabfallsammlung im Haushalt landen.


Zu Verpackungen aus biologisch abbaubaren Kunststoffen führt das Umweltbundesamt unter anderem auf:

  • „Verpackungen aus Kunststoff müssen in der gelben Tonne beziehungsweise dem gelben Sack entsorgt werden. Sie dürfen keinesfalls in die Biotonne gegeben werden.”  
  • „Hersteller/Erstinverkehrbringer von Verpackungen, die typischerweise beim privaten Endverbraucher als Abfall anfallen, müssen sich im Verpackungsregister LUCID registrieren und mit ihren Verpackungsmengen bei einem dualen System beteiligen. Das gilt auch dann, wenn Verpackungen aus biobasiertem oder biologisch abbaubarem Kunststoff bestehen.” 
  • „Einwegprodukte [aus biologisch abbaubaren Kunststoffen] sind kurzlebig und erzeugen – im Gegensatz zu wiederverwendbaren Produkten – unnötige Abfälle, egal ob biologisch abbaubar oder nicht.”
  • „Der Einsatz von biologisch abbaubaren Verpackungen bietet keine Vorteile im Vergleich zu Verpackungen aus konventionellen oder biobasierten Kunststoffen. Stabiles und beständiges Material hat zumeist entscheidende Vorteile. Die mehrmalige Nutzung des Materials durch Recycling bietet signifikante ökologische Vorteile gegenüber einem eventuellen Materialverlust durch biologischen Abbau.”

Bioabbaubare Kunststoffe: Impulse aus der Politik entscheidend


Das sehen andere Experten, etwa vom Verband European Bioplastics (EUBP), nicht so. Für den Verband weisen die als Klimaneutral geltenden Biokunststoffe im Vergleich zu petrochemisch basierten Kunststoffen ökobilanzielle Vorteile auf, „vor allem durch die großen Einsparungen von CO2 bei Herstellung, Gebrauch und Entsorgung”, zitiert das Branchenportal EUWID.     


Dazu erklärt Patrick Zimmermann, Mitglied der Geschäftsführung der FKuR Kunststoff GmbH: „Der größte Vorteil von Biokunststoffen ist sicher, dass sie teilweise oder überwiegend aus erneuerbaren beziehungsweise. nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden.” Dies bringe es mit sich, dass die Biokunststoffe nur genau die Menge an CO2 emittieren, die sie während des Wachstums aufgenommen haben.


Allerdings könnte die europäische Biokunststoffindustrie abgehängt werden, unter anderem durch die Einwegkunststoffrichtlinie SUPD (Single-Use Plastic Directive) der EU, da hier unter den Begriff „Kunststoffe” auch die Biokunststoffe fallen. Durch sie würden Biokunststoffe als solche nicht anerkannt, was wichtige Anreize unterbinde.


Deshalb lautet die Forderung Zimmermanns: „Damit Biokunststoffe aber ihr volles wirtschaftliches und ökologisches Potenzial entfalten können, ist ein unterstützender gesetzlicher Rahmen erforderlich, der den Markt für biobasierte und kompostierbare Produkte besser fördert.”


Hier schließt sich der Kreis: Das vom Bundesministerium geförderte BioSinn-Projekt ist ein Schritt in diese Richtung – er erweitert den Kenntnisstand bei Potenzial sowie konkreten Möglichkeiten und Ansätzen, damit biologisch abbaubare Kunststoffe in Zukunft an Relevanz weiter zulegen können.